Bundeskabinett treibt Novellen von EnSiG und EnWG voran

Die Bundesregierung wappnet sich weiter für eine Zuspitzung der Lage auf den Energiemärkten. Dazu hat das Bundeskabinett heute in einem schriftlichen Umlaufverfahren eine Formulierungshilfe für eine Anpassung des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG) und weiterer Folgeänderungen, unter anderem des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) beschlossen. Wie aus einer Pressemeldung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hervorgeht, werde im nächsten Schritt eine Formulierungshilfe über die Fraktionen der Regierungskoalition in den Bundestag eingebracht. Ziel sei ein schneller Abschluss des parlamentarischen Verfahrens.

Kommt mit EnSiG eine neue Umlage für Gasmarkt?
Nach Angaben des BMWK würden mit dem Entwurf vor allem Anpassungen im EnSiG vorgenommen, um die Instrumente zur Stärkung der Vorsorge noch einmal zu erweitern:

Neben Präzisierungen und Konkretisierungen zum bestehenden Preisanpassungsrecht des § 24 EnSiG werde ein neues, alternatives Instrument eingeführt, das sogenannte saldierte Preisanpassungsrecht des § 26 EnSiG. Dabei handelt es sich um einen Mechanismus, bei dem die durch einen „unabhängigen Kassenwart“ ermittelten Mehrkosten einer Ersatzbeschaffung infolge von verminderten Gasimporten gleichmäßig auf alle Gaskunden verteilt werden können. Dazu werde eine Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung aufgenommen.

Beide Instrumente – sowohl das Preisanpassungsrecht des § 24 EnSiG wie auch das saldierte Preisanpassungsrecht des § 26 EnSiG – seien an enge Voraussetzungen geknüpft und sollen aktuell nicht aktiviert werden, heißt es von Seiten des BMWK. Vielmehr sollen sie aber als Optionen im Instrumentenkasten zur Verfügung stehen, um im Falle weiter steigender Gaspreise und einer Zuspitzung der Lage in den kommenden Monaten handlungsfähig zu sein.

Gesellschaftsrechtliche Stabilisierungsmaßnahmen (§ 29 EnSiG) vorrangig
Des Weiteren würden laut des Ministeriums in § 29 EnSiG zeitlich befristet gesellschaftsrechtliche Anpassungen eingeführt, die es der Bundesregierung ermöglichen und erleichtern Unternehmen der Kritischen Infrastruktur im Energiesektor zu stabilisieren. Für Unternehmen der Kritischen Infrastruktur im Energiesektor, die nach § 17 EnSiG unter Treuhandverwaltung des Bundes stehen, würden zusätzlich mit § 17a EnSiG ergänzende Regelungen für Kapitalmaßnahmen getroffen.

Stabilisierungsmaßnahmen für Energieunternehmen, so das BMWK, können helfen, dass Preisanpassungsmechanismen nicht zum Einsatz kommen müssen. Daher wird im Gesetz in der Rangfolge der verschiedenen Instrumente klargestellt, dass die Stabilisierungsmöglichkeiten im Sinn des § 29 Abs. 1 EnSiG vorrangig zu den beiden Preisanpassungsmechanismen zu prüfen sind.

Zusätzlich werde auch der Instrumentenkasten für mögliche Einzelmaßnahmen zum Energiesparen noch einmal erweitert. Mit einer neuen Verordnungsermächtigung sollen nach Angaben des BMWK Maßnahmen auch vor Eintritt des Krisenfalls und vor dem Einsatz der Bundeslastverteilung getroffen werden können, also zum Beispiel bereits nach Ausrufung der Frühwarnstufe Gas. Durch Rechtsverordnung könnten so beispielsweise Maßnahmen zur Energieeinsparung geregelt werden.

Die Novelle enthält außerdem Änderungen im EnWG, die ebenfalls die Krisenvorsorge stärken sollen und sich konkret auf die Rechtsverordnungen zum Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz beziehen. Dies umfasse laut des BMWK unter anderem die Verlängerung der Möglichkeit zur Reduzierung der Gasverstromung. So müsse die Reduzierung der Gasverstromung ebenfalls durch Rechtsverordnung angeordnet werden. Die entsprechende Rechtsverordnung sei bislang auf maximal sechs Monate begrenzt gewesen und soll jetzt auf neun Monate erweitert werden.

Außerdem werde die Möglichkeit der Strommarktteilnahme der Kohlekraftwerke erst ab der Ausrufung der Alarmstufe ermöglicht. Auch würden die Pflichten zur Betriebsbereitschaftshaltung erweitert. Das bedeute zum Beispiel, dass die Kraftwerke neben der Strommarktteilnahme auch für Anforderungen der Übertragungsnetzbetreiber bereitstehen müssten.

LichtBlick kritisiert „Markt der Möglichkeiten“ im EnSiG
Erste Versorger haben bereits zu den Plänen der Bundesregierung Stellung bezogen. Die LichtBlick SE (LichtBlick) zum Beispiel begrüßt, dass die Bundesregierung noch in dieser Woche die Novelle des EnSiG abschließen möchte. Diese Eile sei dringend geboten, um im Sommer für eine Störung der Gasversorgung gerüstet zu sein. Angesichts des enormen Zeitdrucks fordert das Hamburger Unternehmen aber, dass sich die Ampel-Koalition im EnSiG auf direkte staatliche Hilfen konzentriere. Die jetzt als „saldierte Preisanpassung“ umbenannte Umlage werfe viele rechtliche Fragen auf und verstärke die Preislawine zu Lasten der Verbraucher*innen.

Außerdem kritisiert LichtBlick das gegenwärtige Nebeneinander verschiedenster Instrumente zur Gaspreisstabilisierung. Das schaffe Verwirrung und behindere eine stringente und wirksame Strategie in der bevorstehende Energiepreiskrise. Denn neben direkten staatlichen Hilfen soll, wie oben ausgeführt, auch weiterhin die Möglichkeit bestehen bleiben, Preiserhöhungen direkt oder über die „saldierte Preisanpassung“ an die Letztverbraucher*innen und ihre Versorgungsunternehmen durchzuleiten. „Die Verbraucher*innen sind am Limit. Wir brauchen jetzt kein Gießkannenprinzip, sondern müssen das Problem direkt auf der Ebene, auf der es entsteht, adressieren“, kommentierte Markus Adam, Chefjurist des Unternehmens, in einer Pressemeldung.

Für LichtBlick wäre eine verfassungskonforme Umsetzung der „saldierten Preisanpassung“ nur dann gegeben, wenn sie mit einem späteren Ausgleich durch die Gasimporteure verbunden sei, zum Beispiel durch virtuelle Beteiligungsoptionen. Diese könnten an zukünftige Gewinne der Gasversorger gekoppelt sein – und damit nach Überwindung der Krise die Gaspreise für Kund*innen senken.

Das BMWK hält auf seinen Webseiten zu den Gesetzesnovellen eine ausführliche FAQ-Liste zum Download bereit.

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